Langzeitdokumentationen per Fotografie:

Was ist Visual-Monitoring?

Bei langwierigen Bauprojekten, Landschafts-Umgestaltungen, kulturellen Großprojekten oder einfach nur Veränderungen in einer Stadt, ist es manchmal sinnvoll, den gesamten Prozess zu dokumentieren und damit für nachfolgende Generationen erlebbar zu machen, oder einfach nur die Presse-und Öffentlichkeits-Arbeit des jeweiligen Ortes/Projektes zu unterstützen. Für ein exakt geplantes Visual-Monitoring werden mit dem Kunden Zeitraum, zu erfassende Orte/Objekte Frequenz der Fototermine und andere Variablen abgesprochen und fixiert. Dabei fließen beratend alle Erfahrungen die ich mit anderen Projekten gesammelt habe mit ein. Danach wird von mir eine Planung erstellt, oft ein Grundplan gezeichnet und die ersten Aufnahmen produziert. Es werden extrem hochauflösende 360°-Panoramen aus der Normalsicht fotografisch fixiert (Kugelpanoramen werden eher seltener abgelichtet, weil diese viele uninteressante Räume abbilden, Ausnahme: Innenräume). Diese Panoramen können schon mal weit über 1 GB groß sein, gewähren aber eine hohe Detailfreudigkeit. Zudem kann man aus diesen Panoramen auch jederzeit normale Fotos generieren, die in ihrer Auflösung mit denen aus der Kamera mithalten können. Durch die 360°-Rundsicht sind praktisch Fotos gesichert, an die man womöglich am Anfang des Projektes noch nicht gedacht hat. Alle so entstandenen Panoramen werden ausführlichst in den Metadaten der Dateien beschrieben und georeferenziert. Zusammengefasst entsteht eine ausgezeichnete Fotodokumentation, die neben traditionellen Druckerzeugnissen auch die elektronischen Medien exzellent bedienen kann, archivfest ausgeliefert wird und somit einen großen Wert für Wissenschaft, Forschung und Historie darstellt.

Beispiel 01: Umbau des Chemnitzer Hauptbahnhofs (2009-2013)

Umbau Bahnhof Chemnitz2009 begann die Bahn mit der Modernisierung des Chemnitzer Hauptbahnhofs. Im Rahmen dieser fünfjährigen Umgestaltung sollte ich möglichst viele Schwerpunkte bei diesen Arbeiten festhalten. Keine leichte Aufgabe, weil ich mir anfangs über den Umfang der Bauarbeiten nicht ganz klar war. Grund: das Bahnhofsgelände wurde quasi von zwei Bauherren umgestaltet. Zum einen die Bahn mit der Erneuerung der Bahnsteige, Rückbau, überflüssiger Gleise und Schaltwarten, Sanierung an Gleisanlagen und Gebäuden sowie der Digitalisierung der Gesamtsteuerung. Zum anderen baute die Stadt Chemnitz, die den städtischen Nahverkehr bis in den Bahnhof hinein anlegte, mit dem Ziel, kurze Wege in die Stadt zu ermöglichen.

Im Laufe der vier Jahre entstanden rund 400, sehr hochauflösende Panoramen, die den äußerlich sichtbaren Fortschritt der Umbauarbeiten festhielten. Dabei wurden neben den rein dokumentarischen Aufnahmen auch dekorative Sichten abgebildet, so das man die gesamte Spannweite der Öffentlichkeitsarbeit bedienen konnte. Der nebenstehende Übersichtsplan des Projektes zeigt die extra angefertigte Vector-Karte mit den eingezeichneten Aufnahmeorten, der Bau-Schwerpunkte und die Zuordnung der Panoramen mit ihren Farbcodierungen für die einzelnen Jahrgänge. Zusätzlich wurden alle Panoramen in ihren Meta-Daten georeferenziert. Beide Maßnahmen erleichtern eine exakte Zuordnung der Aufnahmen auf der Baustelle und erleichtert später die Archiv-Arbeit.

Beispiel 02: Der Großräschener See (vormals auch Ilsesee) in seiner Wandlung vom Braunkohle-Tagebau Meuro zum Bestand der Lausitzer Seenkette (2000-2025)

Vom Tagebau Meuro zum Großräschener SeeIm Jahr 1999 fasste ich den Entschluss, einer der spannendsten und dynamisch schnell verändernden Landschaften Europas im Rahmen mehrerer Visual-Monitorings zu beobachten. Ich musste mich dabei auf vier der vielen Seen der Lausitzer Seenkette beschränken, um den immensen Arbeitsaufwand zu begrenzen. Einer dieser Seen war der Großräschener See, der am Anfang noch der Braunkohletagebau Meuro war und später durch das Landschaftsprojekt IBA Fürst-Pückler-Land bekannt wurde, deren Hauptsitz am Ufer dieses Sees lag. Durch die Lage an einer mittelgroßen Stadt und dem späteren Besucherzentrum, war der See mit einem großen wirtschaftlich-touristischen Potenzial eingeschätzt worden, somit unter diesen Aspekt interessant. Als ich mit den Aufnahmen im Jahr 2000 begann, stand noch die Förderbrücke in der Grube und die Landschaft glich eher der Marsoberfläche - so weit das Auge blickte, nur erodierter Boden - erschreckend und faszinierend zugleich. Aus neutraler Sichtweise und damit sehr vielfältig, entstanden bis in die Gegenwart über 800 Panoramen, etwa ebensoviel Einzelfotos und Luftaufnahmen. Ein Teil der großformatigen Aufnahmen wurde 2006 einer Ausstellung in den Geschäftsräumen der IBA-Fürst-Pückler-Land, gezeigt, andere fanden sich in Publikationen und wissenschaftlichen Arbeiten wieder. Das Projekt ist noch nicht abgeschlossen und wird weiter begleitet.

Beispiel 03: Verschwundene Orte - die Devastierung von Haidemühl wegen des Braunkohle-Tagebau Welzow (2005-2011)

Devatierung von Haidemühl wegen des Braunkohletagebaus WelzowDie Gemeinde Haidemühl wurde als Teil von Gosda 1548 erstmals erwähnt (1823 dann die erste urkundliche Erwähnung vom OT Haidemühl). In der Blütezeit des Ortes (von etwa 1905 bis 1938) siedelten sich ein Glaswerk und eine Brikettfabrik an und die Einwohnerzahl stieg auf rund 1500 an. Die Verkehrsanbindungen an die nächsten größeren Orte verbesserten sich erheblich. Nach dem Niedergang des letzten größeren Arbeitgebers, der Haidemühler Glashütte, im Jahr 1993 halbierte sich die Zahl der Haidemühler. Wenige Jahre später war der Ort wegen des Braunkohle-Bergbaus (Tagebau Welzow) zur Devastierung vorgesehen und in der Nähe von Spremberg (Ortsteil von Spremberg) neu aufgebaut.

Der gesamte Prozess der Devastierung/Umsiedlung wurde fotografisch begleitet und genauso wie oben beschrieben festgehalten. Es galt die historische Architektur von Alt-Haidemühl zu sichern und das Werden des Neu-Haidemühl zu begleiten. Ein enormes Programm, in das sehr viel Zeit, Logistik und Recherche-Leistung eingeflossen sind. Rund 300 Panoramen wurden im Rahmen dieses Projektes produziert. Die Übersichtskarte wurde mit zusätzlichen Informationen zur Gemeinde-Geschichte, der Entwicklung der Einwohnerzahlen und zwei geologischen Höhenprofilen ergänzt, so das man sie ohne größeren Aufwand auch als Schautafel verwenden kann. Das Vector-Dateiformat erlaubt zudem eine verlustfreie Skalierung in jedes gewünschte Format und eine problemlose alternative Farbgestaltung.

Beispiel 04: Der Altdöberner See - vom Tagebau Greifehain zum stillen See der Lausitzer Seenkette (2000-2030)

Blick von der Gelben Rampe in Pritzen auf den Altdöberner See zwischen den Jahren 2000 und 2016Dieses Projekt stand bei mir ganz oben auf der Liste der der angestrebten Visual-Monitorings, denn es hatte einige Alleinstellungs-Merkmale gegnüber den anderen Seen der Lausitzer Seenlandschaft. So ist der See beispielsweise nicht mit den anderen Tagbauseen verbunden und durch den Ein- und Auslauf von natürlichen Oberflächenwasser hat man hier auch nicht so sehr mit der Übersäuerung des Wassers zu kämpfen. An den Ufern liegt die Stadt Altöbern sowie deren Ortsteil Pritzen (auf einer Halbinsel). Gerade letzterer Ort ist sehr interessant. Ursprünglich sollte Pritzen devastiert werden (die ersten Bewohner waren schon umgesiedelt, einige Häuser an der Dorfstraße wurden schon abgerissen) als man sich nach der poltischen Wende 1989, im letzten Moment, doch noch für den Erhalt von Pritzen aussprach. So war es hoch interessant, die Entwicklung gerade hier festzuhalten. Ab den 29. Mai 1998 wurde der Tagebau Greifenhain geflutet. Wenige Jahre später wurde festgestellt, das die Uferbereich und angrenzende Aufschüttungen nicht sicher waren. Es wurden Sperrbereiche ausgerufen, die unter anderen einige Bau- und Gestaltungsprojekte verhinderten, bzw nur noch in abgespeckter Variante umgesetzt werden sollen. So entfiel beispielsweise das IBA Fürst-Pückler-Land-Projekt "Schwimmender Steg", der die Ortslagen Pritzen und Altdöbern wieder für Radfahrer und Wanderer verbinden sollte. Das in der Presse ganz groß gefeierte Projekt "Landschaftsohr" (Ufer Altdöbern) wird wohl, wenn überhaupt nur in sehr kleiner Variante kommen. Die Ansiedlung einer Künstlerkolonie in Pritzen, initiiert durch die Europa-Bienale 1993 und 1995 mit deren 16 im Ort verbliebenen Kunstobjekten scheiterte um die Jahtausend-Wende. So wird der Altdöberner See wohl einer der stillsten Seen werden, was ihn bei Wanderern und Naturfreunden umso attraktiver macht. 2015 machte der See noch einmal Schlagzeilen, als der Bergbau-Sanierer LMBV den Eisenoxyd-Schlamm (Ockerschlamm) aus Filteranlagen (Stichwort: rote Spree) in dem See deponieren wollte. Die Bewohner von Altdöbern und Pritzen traten dem entschieden entgegen, so das man darauf verzichtete. Die abgebildeten Panoramen zeigen den Blick von der "Gelben Rampe" auf den Altdöberner See zwischen 2001 und 2015

Beispiel 05: Devastierung des denkmalgeschützten lausitzer Dorfes Horno (2001-2005)

das devastierte Lausitzer Dorf HornoAls ich dieses Visual-Monitoring anfing, hatte noch nicht ahnen können, das dieses lausitzer Dorf international in der Presse Schlagzeilen machen sollte. Horno war bis zur Devastierung über 500 Jahre alt und stand zu großen Teilen unter Denkmalsschutz. Doch schon 1977 fasste der Bezirkstag des Bezirkes Cottbus in der damaligen DDR den Beschluss, Horno für den Tagebau Jänschwalde zu opfern und die Einwohner umzusiedeln. Nach der politischen Wende versuchten Einwohner und Sympathisanten die neuen Rechtslagen zu nutzen und die Abbaggerung zu verhindern. Die politischen Entscheidungsträger blieben aber bei dem Beschluss, obwohl die Götterdämmerung für die Braunkohle am Horizont schon sichtbar war. 1999 lebten noch rund 350 Einwohner in dem Dorf, 2004 waren es noch ein Ehepaar, welches versuchte Ihren alten Garten mit seltenen Obsthölzern zu verteidigen. Wenige Monate später war das Dorf Geschichte, der Energiekonzern Vattenfall hatte sich durchgesetzt. Was ich dazwischen vor die Kamera bekam, war ein großes Drama, welches trotz erzwungener Neutraltät bei den Arbeiten, sehr viel mit mir selbst machte. Als die jahrhunderte alten Bäume rund um den Dorfanger fielen, schnürte es meine Kehle zu, musste ich mit den Tränen kämpfen - obwohl ich keinerlei Bindung zu dem Ort hatte. So bekam ich eine ungefähre, bruchstückhafte Vorstellung, was es heißt, die Heimat zu verlieren. Es entstanden rund 150 Stück 360°-Panoramen und ebensoviele Einzel und Luftbilder. 2008 montierte ich einge Panoramen zu einen interaktiven Rundgang durch das Dorf in seinem Ursprung und erhielt promt Rückmeldungen von ehemaligen Bewohnern, die über diese Sichten dankbar waren. Andere wiederum empfanden den Rückblick als schmerzlich - für mich nachvollziehbar. Den Rundgang durch Alt-Horno können Sie in meinem historischen Web abrufen.